Es sind oft die kleinen Dinge, die einem auf Reisen besonders in Erinnerung bleiben. Heute zum Beispiel: die Schweizer Getränkeflaschen. Was daran besonders ist? Die Kunststoffkappen lassen sich komplett abschrauben – sauber, praktisch, durchdacht. Anders als in der EU, wo durch eine neue Regelung die Verschlüsse an kleinen Halterungen an der Flasche befestigt bleiben müssen. Gut gemeint, um Plastikmüll zu vermeiden – doch im Alltag für viele einfach unpraktisch. Beim Trinken stört der Deckel, beim Eingießen auch. Hier in der Schweiz zeigt sich: Es geht auch funktional, nachhaltig und benutzerfreundlich. Warum das nicht europaweit Standard ist? Eine dieser kleinen Fragen, die einem beim Radeln so durch den Kopf gehen.
Gemeinsam mit meiner Frau Martina bin ich heute unterwegs. Unser Weg führt uns entlang der Limmat – einem dieser Flüsse, die Städte lebenswert machen. Glasklares Wasser, versteckte Badestellen mitten im urbanen Raum, junge Leute auf Picknickdecken, andere springen einfach von den Stegen in den Fluss. Die Limmat: Zürichs grüne Lebensader.
Heute geht’s flussabwärts. Vor der Weiterfahrt noch ein kurzer Stopp beim LIDL – wir gönnen uns einen knackigen Salat Niçoise. Frischer Thunfisch, Ei, Bohnen, alles dabei. Unter einer Brücke finden wir einen perfekten Platz für die Mittagspause, direkt am Fluss. Plötzlich zieht ein Gewitter auf. Dramatisch peitscht der Regen gegen die Brückenpfeiler, während wir trocken sitzen und die Naturgewalten beobachten. Radreisen – das bedeutet eben auch: im richtigen Moment das richtige Versteck finden.
Am Nachmittag kämpfen wir uns durch starken Gegenwind. Die Sonne knallt, die Luft ist drückend, die Landschaft wechselt von idyllischen Flussabschnitten zu eher unspektakulären Landstraßen. Immer weiter Richtung Norden. Oft direkt neben dem Verkehr, doch die gelb markierten Radstreifen geben Sicherheit. Und was uns wirklich beeindruckt: die Autofahrer hier nehmen Rücksicht, halten Abstand, überholen mit Bedacht – so fühlt sich Radfahren richtig an.
Dann der nächste Schauer. Wir retten uns in ein kleines Straßencafé – Zeit für eine Schwarzwälder Kirschtorte. Ein süßes Stück Heimat auf dem Weg zurück nach Deutschland.
Etwa acht Kilometer vor dem Campingplatz treffen wir auf einen englischen Bikepacker, der ziemlich verloren am Straßenrand steht. Orientierung? Fehlanzeige. Er hat unterwegs seine beiden Kumpels verloren, irgendwo in den Wirren des Nachmittags. Sein Name ist John, und er strahlt trotz der Verwirrung eine unglaubliche Ruhe aus.
Während wir gemeinsam in die Pedale treten, erzählt er uns seine Geschichte.
„Ich war gerade noch mit den Jungs auf einem Grat in den Schweizer Bergen – Paragliding! Einfach verrückt. Wir sind alle schon über 60, weißt du?“ Er lacht und blickt in den Himmel. „Danach Gravelbiken durch die Alpen. Aber heute… naja… irgendwie bin ich falsch abgebogen. Meine Navigation hat den Geist aufgegeben.“
Martina fragt neugierig: „Und warum Wien?“
„Ach,“ sagt John und grinst verschmitzt, „meine Frau ist Österreicherin. Ich habe ihr versprochen, endlich mal mit dem Rad zu kommen. Früher war ich Pilot – immer nur oben, nie am Boden. Jetzt will ich die Welt langsam erleben.“
Seine ruhige, gelassene Art beeindruckt uns. Ein Mann, der das Abenteuer sucht, nicht trotz, sondern gerade wegen seines Alters. Geschichten, die man nur auf Reisen schreibt.
Am Campingplatz dann die große Erleichterung: Seine beiden Freunde stehen schon da, winkend, mit breitem Grinsen im Gesicht. Wieder vereint, wieder bereit für die nächste Etappe – Richtung Wien.
Der Abend klingt entspannt aus: Picknick unter freiem Himmel mit allem, was die Supermarktauslage hergibt. Antipasti, luftgetrockneter Schinken, würzige Dips, frisches Obst – genau das Richtige nach einem Tag voller Kilometer und Wetterkapriolen.
Mein Tipp: Man braucht nicht immer ein Restaurant. Mit Fantasie und einem guten Supermarkt wird jeder Rastplatz zum Outdoor-Bistro.
Campingplatz-Empfehlung:
Kurz nach der Grenze, in Waldshut, finden wir den perfekten Ort für die Nacht:
Camping Waldshut – direkt am Rhein gelegen.
20 Euro für zwei Personen, zwei Räder, ein kleines Zelt.
Gepflegte, ebene Zeltwiese mit schattenspendenden Bäumen.
Große, mobile Tische und Bänke laden zum Verweilen und Essen ein.
Alles sauber, ruhig, freundlich – hier lässt sich gut schlafen und neue Kraft tanken.
Mein Fazit des Tages:
Auch unspektakuläre Etappen haben ihren Reiz. Es geht nicht immer um Höhepunkte und Sensationen. Es geht um die Summe der Eindrücke: die freundlichen Menschen, das erfrischende Bad im Fluss, der Kampf gegen den Wind, das süße Stück Kuchen im Regen, die unerwarteten Begegnungen mit anderen Reisenden. Wer radelt, erlebt intensiv – immer und überall.
Probier’s aus. Radreisen verändert den Blick auf die Welt – und auf dich selbst